Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten (ab 18 Jahre) (Funktionseinschränkungen)

Die Alterung der Bevölkerung, die mit Beeinträchtigungen des Gesundheitszustands einhergeht, stellt eine Herausforderung für die Gesellschaft dar, insbesondere dann, wenn die Beeinträchtigungen zu Einschränkungen bei der sozialen Teilhabe in verschiedenen Bereichen des Lebens führen (Van Oyen et al. 2018). Zur Beschreibung der Beschränkungen wird seit etwa 20 Jahren der Indikator zu lang andauernden gesundheitsbedingten Einschränkungen bei der Ausübung von Alltagsaktivitäten (Global Activity Limitation Indicator, GALI) verwendet, der den Anteil der von Einschränkungen betroffenen Bevölkerung abbildet. Der Indikator gehört neben den Indikatoren zur subjektiven allgemeinen Gesundheit und zum chronischen Kranksein zu den drei zentralen Kennzahlen des Gesundheitsstatus, die etablierte Bestandteile des „Minimum European Health Module“ (MEHM) sind (Cox et al. 2009).

Schon gewusst?

(Funktionseinschränkungen)

36,1 % der Erwachsenen waren im Jahr 2023 aufgrund eines gesundheitliches Problems in den letzten 6 Monaten bei Tätigkeiten des normalen Alltagslebens eingeschränkt.

(Funktionseinschränkungen)

Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten nehmen mit dem Alter deutlich zu.

(Funktionseinschränkungen)

Doppelt so viele Personen der niedrigen Bildungsgruppe waren in ihren Alltagstätigkeiten eingeschränkt als Personen der hohen Bildungsgruppe.

Visualisierung

Darstellung
Geschlecht

Zeitverlauf

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NachAlter

NachGechlecht

NachBildung

Ergebnis

Im Jahr 2023 gaben in Deutschland 36,1 % der Erwachsenen an, aufgrund eines gesundheitlichen Problems in den letzten 6 Monaten bei Tätigkeiten des normalen Alltagslebens mäßig oder stark eingeschränkt gewesen zu sein, Frauen (37,9 %) häufiger als Männer (33,8 %). In den jüngeren Altersgruppen lag der Anteil deutlich niedriger als in den höheren Altersgruppen; bei den 18- bis 29-Jährigen betrug er 20,4 %, bei den 30- bis 45-Jährigen 21,8 %. Der Anteil verdoppelte sich auf 41,4 % bei den 45- bis 64-Jährigen, stieg auf 46,0 % bei den 65- bis 79-Jährigen an und erreichte den Höhepunkt mit 61,3 % bei den über 80-Jährigen. Personen der niedrigen Bildungsgruppe waren wesentlich häufiger von Einschränkungen betroffen (51,9 %) als Personen der mittleren (32,0 %) und der hohen Bildungsgruppe (25,1 %). Nach Altersstandardisierung blieben die beobachteten Unterschiede nach Geschlecht nicht bestehen. Ausgehend von 33,4 % im Jahr 2019 hat sich der Anteil von Personen mit Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten um rund drei Prozentpunkte erhöht.

Fazit

Mehr als ein Drittel aller Erwachsenen waren in 2023 längerfristig aufgrund eines Gesundheitsproblems bei ihren Alltagstätigkeiten eingeschränkt, bei Personen ab 80 Jahren waren es sogar fast zwei Drittel, was ähnlich in anderen europäischen Ländern beobachtet wurde (Beller 2023). Besonders betroffen waren Personen mit niedriger Bildung. Alltagseinschränkungen ziehen Hilfs- und Unterstützungsbedarfe nach sich, die über die medizinische Behandlung des Gesundheitsproblems zum Teil weit hinausgehen können und stark von der Lebenssituation und dem Lebensumfeld abhängen (Tate und Pledger 2003). Schwerpunkte für die Prävention gesundheitsbedingter Einschränkungen im Alltag können sich an den Hauptrisikofaktoren für chronische Erkrankungen orientieren, zum Beispiel Übergewicht und mangelnde körperliche Aktivität, sollten jedoch auch das Lebensumfeld, die soziale Einbindung zur Vermeidung von Einsamkeit und die Verbesserung der Lebensbedingungen berücksichtigen, besonders bei Personen der niedrigen Bildungsgruppe. Die Prävention sollte schon in jüngeren Altersgruppen beginnen und über die gesamte Lebensspanne erfolgen.

Methodik und Datenquellen

Definition

Der Indikator Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten ist definiert als der Anteil der Erwachsenen, die durch ein gesundheitliches Problem seit mindestens 6 Monaten mäßig oder stark bei Tätigkeiten des normalen Alltagslebens eingeschränkt sind.

Operationalisierung

Die Erfassung von Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten basiert auf Selbstangaben der Befragten:

GEDA 2019/2020-EHIS, GEDA 2022, GEDA 2023

  • „Sind Sie durch ein gesundheitliches Problem bei Tätigkeiten des normalen Alltagslebens eingeschränkt?“
  • Antwortmöglichkeiten: „Stark eingeschränkt“, „Mäßig eingeschränkt“, „Nicht eingeschränkt“
  • Wurden bei dieser Frage mäßige oder starke Einschränkungen angegeben, wurde gefragt: „Wie lange dauern Ihre Einschränkungen bereits an?“
  • Antwortmöglichkeiten: „Weniger als 6 Monate“, „6 Monate oder länger“
  • Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten liegen vor, wenn mäßige oder starke Einschränkungen seit 6 Monaten oder länger angegeben werden.

Bezugspopulation

Deutschsprachige Wohnbevölkerung in Privathaushalten ab 18 Jahren in Deutschland.

Datenquelle und Fallzahl

Die Ergebnisse basieren auf folgenden bundesweiten Befragungssurveys des Robert Koch-Instituts:

  • GEDA 2019/2020-EHIS:
    • telefonische Befragungen mit Festnetz und Mobilfunk, N = 23.001
    • gültige Werte für den Indikator: n = 22.651
  • GEDA 2022:
    • telefonische Befragungen mit Festnetz und Mobilfunk, Erhebung unterteilt in Welle 1 bis 10 mit einem Basismodul und bis zu vier Fragebogenmodulen, N = 33.149 (relevante Teilstichprobe Welle 1 bis 10, Modul 2: n = 8.288)
    • gültige Werte für den Indikator aus Welle 1 bis 10, Modul 2: n = 8.267
  • GEDA 2023:
    • telefonische Befragungen mit Festnetz und Mobilfunk, Erhebung unterteilt in Welle 11 bis 22 mit einem Basismodul und bis zu vier Fragebogenmodulen, N = 30.002 (relevante Teilstichprobe Welle 11 bis 22, Modul 2: n = 12.017)
    • gültige Werte für den Indikator aus Welle 11 bis 22, Modul 2: n = 11.982

Datenqualität

Die RKI-Befragungssurveys liefern repräsentative Ergebnisse für die deutschsprachige Wohnbevölkerung Deutschlands ab 18 Jahren in Privathaushalten. Wie bei allen bevölkerungsbezogenen Studien ist davon auszugehen, dass einige Personengruppen unterrepräsentiert sind, wie Personen der niedrigen Bildungsgruppe, Menschen mit Migrationsgeschichte oder Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen. Darüber hinaus basieren alle Informationen auf Selbstangaben und nicht auf ärztlichen Interviews.

Berechnung

  • Beschreibung und Stratifizierung: Für den Indikator werden die Kennzahlen für Gesamt sowie nach Geschlecht, Alter, Bundesland und Bildung ausgewiesen. In den GEDA-Wellen 2009 bis 2014/2015-EHIS wurden die Teilnehmenden gefragt, ob sie männlich oder weiblich sind. Seit GEDA 2019/2020-EHIS werden das Geburtsgeschlecht und die geschlechtliche Identität erhoben (Pöge et al. 2022). In den Analysen nach Geschlecht werden Personen ausgewiesen, die sich als weiblich oder männlich identifizieren. Genderdiverse Menschen, die sich diesen Kategorien nicht zuordnen, werden aufgrund der geringen Fallzahl nicht gesondert ausgewiesen, sind jedoch in der Gesamt-Kategorie enthalten. Die Darstellung nach Bundesland basiert auf dem Wohnort der Befragten. Der Bildungsstatus wird anhand des CASMIN-Indexes bestimmt (Brauns et al. 2003). Dieser verwendet Angaben zu schulischer und beruflicher Bildung und ermöglicht die Einteilung in eine niedrige, mittlere und hohe Bildungsgruppe.
  • Umgang mit unsicheren Werten: Voraussetzung für die stratifizierte Darstellung eines Indikators ist, dass die Fallzahl in der Gruppe mindestens 5 beträgt und die statistische Unsicherheit in der Schätzung der Kennziffer als akzeptabel angesehen wird (Konfidenzintervall schmaler als 25 Prozentpunkte und Variationskoeffizient ≤ 33,5 %). Letzteres bedeutet, dass die untere Grenze des Konfidenzintervalls mindestens die Hälfte des Schätzers betragen muss. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, werden die Werte nicht berichtet („zu wenige Daten“). Berichtet, jedoch als unsicher markiert, werden Werte, die auf weniger als 10 Fällen basieren, deren Konfidenzintervall breiter als 20 Prozentpunkte ist oder wenn die Untergrenze weniger als ⅔ des Schätzers beträgt (Variationskoeffizient ≤ 16,6 %). Aufgrund der Unsicherheit sollten diese Werte mit Vorsicht interpretiert werden.
  • Gewichtung: Um Abweichungen der Surveys von der zugrundeliegenden Bezugspopulation durch unterschiedliche Teilnahmebereitschaft oder Auswahlwahrscheinlichkeit zu korrigieren, wurde für die Berechnung des Indikators in jedem Survey ein Gewichtungsfaktor verwendet. Diese berücksichtigen die Ziehungswahrscheinlichkeit der Teilnehmenden und passen außerdem die Surveys an die Bevölkerungsstruktur Deutschlands hinsichtlich Geschlecht, Alter, Bundesland und Bildung an. In GEDA 2019/2020-EHIS wurde zusätzlich die regionale Siedlungsstruktur (Kreistyp) berücksichtigt. Dabei wurden die Daten des Statistischen Bundesamts zum Stichtag 31.12.2019 (GEDA 2019/2020-EHIS) und 31.12.2020 (GEDA 2022, GEDA 2023) verwendet. Die Bildungsverteilung wurde dem Mikrozensus 2017 (GEDA 2019/2020-EHIS) und 2018 (GEDA 2022, GEDA 2023) entnommen.
  • Altersstandardisierung: Eine Standardisierung nach Alter und Geschlecht wurde innerhalb der Bundesländer sowie innerhalb der Bildungsgruppen durchgeführt. Dazu wurde die europäische Standardbevölkerung 2013 verwendet. Es werden sowohl die Ergebnisse mit als auch die Ergebnisse ohne Altersstandardisierung ausgewiesen. Die Ergebnisse ohne Altersstandardisierung bilden die tatsächliche Alters- und Geschlechtsverteilung innerhalb der Bundesländer bzw. Bildungsgruppen ab und sind damit zum Beispiel geeignet, um Fragen des Versorgungsbedarfs zu beantworten. Bei den Ergebnissen mit Altersstandardisierung sind die Bundesländer und die Bildungsgruppen hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbar. Dadurch können Unterschiede aufgezeigt werden, die sich nicht durch Alter und Geschlecht erklären lassen.
  • Berechnung:
    • Konfidenzintervalle: Die zufallsbedingte Variabilität der Ergebnisse kann den 95 %-Konfidenzintervallen in den Tabellen und Abbildungen entnommen werden. Die Konfidenzintervalle wurden mit der Logit-Methode berechnet. Dabei wurde die Streuung der Gewichtungsfaktoren berücksichtigt.
    • Regionale Unterschiede: Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Bundesländern und dem Bundesdurchschnitt wurden mittels Chi-Quadrat-Test unter Adjustierung für multiples Testen ermittelt. Dabei wurden die einzelnen Bundesländer im Vergleich zu den jeweils verbleibenden Bundesländern (zusammengefasst) getestet. Die Einteilung in der Karte erfolgt anhand von fünf äquidistanten Kategorien.  

Weiterführende Links

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